Martin war ein bescheidener und gütiger junger Mann. Er wurde zwar nicht getauft, lebte und handelte jedoch wie ein gläubiger Christ. Im Alter von 15 Jahren, als der damalige römische Kaiser befohlen hatte, dass alle Söhne von Soldaten ebenfalls zur Armee müssen, wurde auch Martin im Jahre 331 n. Christus zum Soldaten. Seine Kameraden schätzten ihn wegen seiner Geduld und Nächstenliebe. Er war ein guter Mann, behielt nur das Nötigste für sich, den Rest teilte er mit den Ärmsten der Armen und den kranken Menschen. Bereits drei Jahre nach seinem Einstieg in die Armee war er Gardeoffizier und in Amiens stationiert, als eine Begebenheit, vor den Toren der Stadt, sein Leben für immer verändern sollte:
An einem schrecklich kaltem Wintertag ritt Martin auf seinem Schimmel durch die klirrende Kälte. Als er auf das Stadttor zuritt, kam ihm ein völlig unbekleideter armer Bettler entgegen. Er flehte verzweifelt die vorbeigehenden Menschen um Hilfe an, doch keiner half. Alle schauten weg und gingen weiter ihren Weg. Auf einmal empfand Martin schreckliches Mitgefühl für den alten Mann und dachte an die vielen Menschen die schon in dieser eisigen Kälte erfroren waren. Er spürte, dass Gott ihn auf seinem Wege zu diesem armen Menschen gelenkt haben musste, um Barmherzigkeit zu üben.
Martin dachte sich: „Wie kann ich bloß helfen? Ich habe ja selber nichts außer meiner Waffen und einen einfachen Soldatenumhang aus Wolle.“
Der Umhang gehörte ihm noch nicht einmal, er war Eigentum des römischen Kaisers. Doch Martin zögerte nicht lange. Er nahm sein Schwert und teilte den Umhang in zwei gleiche Hälften. „Hier, armer Mann, nimm’ meine Mantelhälfte und hülle dich darin ein, mehr habe ich leider nicht, was ich dir geben könnte.“
Der arme Mann nahm dankbar das Mantelstück an und wickelte es sich um den mageren, ausgekühlten Körper. Martin warf sich die andere Hälfte des Mantels um.